Übersaxen - 650 Jahre jung?

Übersaxen – 650 Jahre jung ...?
(Werner Vogt)
Eine bisher nur wenig beachtete Urkunde, wohlverwahrt im Stadtarchiv zu Feldkirch, förderte solches zutage. Da tauchen neue Erkenntnisse für unsere Dorfgeschichte auf. Diese Urkunde zeigen wir im Anhang und bieten wortgetreu deren altertümlichen Inhalt.
Gleich an der Spitze betonen vier Amtmänner die Wertigkeit jenes Rechtsvorganges: Der Feldkircher Stadtammann Rudolf Krapf, Ulrich Zöbeli, der Landammann (der Herrschaft Feldkirch!), Hainz der Sattelberger, Amtmann (in der Herrschaft Neuburg). Dabei verkünden sie öffentlich und im Namen der Herren und des Konventes des Hauses Sankt Johann zu Feldkirch (letztere als Lehenbesitzer) die Verleihung der Güter „Pruniewes und Gafradur“ an die Gebrüder Johannsen und aber (nochmals geheissen) Johannsen Matten, Söhne des seligen (verstorbenen) Matten (an anderen Orten werden jene als „Walliser“ bezeichnet) zu Erblehen, um eine jährlich zu St. Martinstag (11. November) abzuführende Zinsleistung von 16 Schilling Pfennig Konstanzer Münze (= damalige Währung).
Das bedeutet, solange der geforderte Lehenzins in das Kloster gereicht wurde, verblieb die ausgesprochene Lehenschaft bei den Brüdern, bei ihren Erben und Nachkommen – in männlicher wie weiblicher Linie. Sollte der Zins nicht bis St. Martinstag gereicht werden, räumte der Zinsnehmer Fristerstreckung ein bis zum nächsten Heiligabend (24. Dezember). Spätere Zinsleistungen musste man unverzüglich und zweifach leisten. Wenn das nicht fruchtete, war der Entzug der Lehengüter zu gewärtigen. Nach dem blumenreichen Inhalt bekräftigen zum Schluß zwei der erstangeführten Amtmänner mit ihrem Insiegel das Rechtsgeschäft. Die anderen Amtmänner besitzen – wie vermerkt – kein solches Insiegel.
Mit der Nennung dieser Lehensgüter „Pruniewes und Gafradur“, welche wir in Übersaxen zu erkennen glauben, wird auch der vormalige Besitzer erwähnt ... das Gut das wilent Burkart ab Übersachsen was ...(gehört hatte). Auch zum ersten Mal hören wir unseren Dorfnamen, mag er dabei sicher älter sein: In der Verbindung Besitzer und Ortsname auch dessen mögliche Bedeutung oder Rangstellung. Wobei sich offene Fragen ergeben: Wohnte Burkart selbst auf Übersaxen – und wo, gehörte er (wie in ähnlichen Fällen) aufgrund seines Namens zu den bevorzugten Altfreien des Vorderlandes? Und auch der Übergang seines ansehnlichen Besitzes in die Lehenschaft des Klosters St. Johann zu Feldkirch (Johanniter) bleibt verborgen. Eine zunehmende Dotation lag dabei durchaus in der frommen Denkungsart des 14. Jahrhunderts. Auffällig auch zur gleichen Zeit erfolgen von verschiedenen Besitzern Lehensvergaben bevorzugt an wallisische Einsiedler.
Jene waren bekannt als tüchtige Wehrbauern, waren Garanten im Rodungswerk, förderten die Landeserschließung (oft an Grenzen der menschlichen Ökumene), boten Gewähr für die (willkommene) Zinslieferung, ja ließen bei Mehrung ihrer Siedlertruppe Hoffnungen auf höhere Einkommen durchblicken!
Nun, die auf Übersaxen im 14. Jahrhundert einsiedelnden Walser, anfänglich abwertend als Fremde bezeichnet, haben zur Aufwertung des heimatlichen Kulturraumes beigetragen, das kann heute noch erkannt werden. Manchmal – wie könnte es menschlich anders sein – ergaben sich wohl Meinungsverschiedenheiten mit den Alteingesessenen, doch versuchte man solche zu schlichten. Nicht immer aber erwies sich die raue Gebirgsnatur von Übersaxen als angenehmer Partner. So mussten vereinzelt erschlossene Siedelstätten aufgelassen werden, wie einige nahe Beispiele zeigen. So schien auch nach fast zwei Jahrhunderten das „Aus“ für die Gebiete „Pruniewes und Gafradur“ gekommen. Von den Besitzern aufgegeben und von der Gemeinde Übersaxen zurückgekauft, standen die Gebiete nunmehr als Allmende-Weideland oder Voralpe (zur Hauptalpe Portla) zeitweise in Nutzung.
Aus dem Namen „Pruniewes“ wurde das bekannte „Brunnenwies“ – mit gutem Wasservorkommen – und aus „Gafradur“ bildete sich der wörtliche Übersetzungsname „Schwemme“, wer denkt schon daran?
Unserem lieben Burkart ab Übersachsen müssen wir Nachkommen aber Achtung und Anerkennung schenken, er war sicher ein bedeutender Mann in einem damals noch kleineren Dorfe. Wir sind ihm dankbar, dass es ihn gab. Seine Namenserwähnung vor 650 Jahren lässt Freude und Ursache für ein würdiges Dorffest aufkommen.
Zum Abschluss noch einige Gedanken zum Urkundendatum: So deutlich auch das Jahr 1348 erwiesen erscheint, ergaben sich beim Lesen der anderen Daten doch unterschiedliche Auslegungen – was soll dabei ein deutlich zu lesendes „sant Kylarigentag“ bedeuten? Dabei scheint das „K“ nachgebessert oder korrumpiert worden zu sein. Soll es „Kilianstag“ – das wäre der 8. Juli – bedeuten (so wurde es auch schon vom verdienstvollen Kirchenarchivar Dr. A. Ulmer gelesen), oder ist es der „Hylariustag“, dann stünden uns zur Datierung die Tage 14. Jänner, 16. März oder 5. Mai zur Verfügung. Mögen darüber Berufenere befinden.
Anmerkung in eigener Sache:
Bis dato wurde die früheste Erwähnung unseres Ortsnamens nach dem alten Montforter Urbar zum Jahre 1363 angenommen. Die zitierte Urkunde von 1348 war als solche bekannt. In dem darüber ausgestellten Regest wurden die enthaltenen Örtlichkeitsnamen jedoch falsch gelesen als: Pinniwis/Pinnues und Gafradur – zudem in Unkenntnis in den Raum Montafon verwiesen und von Forschern so ausgewertet (Bilgeri / Ulmer / Zehrer).
Nach der neuen Leseart „Pruniewes und Gafradur“ und aufgrund der Lokalkenntnis (Flurnamenforschung) prätendieren wir die beiden Örtlichkeitsnamen als zu Übersaxen gehörend , was weitere Urkunden und der Gebietsrückkauf seitens der Gemeinde Übersaxen belegen können