Kunstprojekt Gisalz

Kunstprojekt "Gisalz"
"Gisalz 98" - ein grenzüberschreitendes Projekt
Das Projekt "Gisalz 98": Hausnummern und Wegweiser Das Bronzetor
Hausnummern und Wegweiser                                        
(Herbert Fritsch)
Im Rahmen eines Gemeindeentwicklungsprojekts und der damit verbundenen neuen Straßenbenennungen in Übersaxen war eine neue Hausnummerierung notwendig geworden.
Diese Hausnummern tragen auf ihrer unteren Hälfte die erforderliche Ziffer, in der oberen Hälfte sind die alten und neuen Zeichen angebracht. Die überlieferten Hauszeichen wurden wieder den alten Häusern zugeordnet. Die neu gebauten Häuser tragen Zeichen, die ich von den geometrischen Grundformen Punkt, Linie, Kreis, Quadrat und Dreieck abgeleitet habe. Teilformen und Kombinationen davon haben eine Vielzahl neuer Zeichen ergeben, die formal unverwechselbar und einmalig sind.
Meine Zeichen sind einer neu entwickelten Schrift ähnlich, die sich auch im Straßenbild von Übersaxen ablesen lässt. Jede Straße, jeder Wegweiser für sich ist durch ein Zeichen markiert, das sich in allen Hausnummern dieses Straßenzuges in abgewandelter Form wiederfindet. Eine Orientierung innerhalb der Gemeinde ohne Inanspruchnahme der Ziffern wäre problemlos möglich.
Ziffer und Zeichen wurden mittels Siebdruck auf gelb beschichtetes Aluminium übertragen, jede Hausnummer ist somit ein Unikat. 
Alle handgefertigten Hausnummern wurden auch auf Papier gedruckt und zu einem großen Nummernbuch gebunden, das in der Gemeinde aufliegt.
Bedeutung der Hauszeichen nach Beat Stutzer
Für das Projekt „Gisalz 98“ in Übersaxen machte Fritsch Gebrauch von den seit dem Mittelalter überlieferten Hauszeichen der Walser. Dieses abstrakte Zeichenmaterial bildete den Ausgangspunkt und die Grundlage für das zwar spezifisch ortsgebundene, aber auf Grund der großen Verbreitung dieser Hauszeichen in Graubünden, Liechtenstein und Vorarlberg, ja im ganzen Alpenraum zugleich überregional relevante Projekt.
Die sogenannten Hauszeichen entstanden zu einer Zeit, als der Bauernstand des Lesens noch unkundig war. Da aber das Bedürfnis nach einer graphischen Kennzeichnung des Besitzes bestand, wurden die Häuser, Gerätschaften, ja sogar die Grabsteine durch Einritzen oder durch Einbrennen mittels Brandeisen mit individuellen Zeichen versehen. So kannte jede Familie und Erbgemeinschaft ihr eigenes Zeichen, das sich durch Hinzufügen weiterer Elemente im Laufe der Zeit vom Grundmodul zu zahlreichen individuellen Varianten und ganzen Zeichenreihen fortentwickelte. Auf diese Zeichensprache aus ferner Zeit, welcher der aufmerksame Beobachter zwar noch allerorten begegnen kann, die jedoch ihre einstige Bedeutung längst verloren hat, greift Herbert Fritsch zurück oder: Er aktualisiert sie wieder und verleiht ihr sozusagen erneut einen alltäglichen Sinn und Gebrauchswert, indem jedes Haus in Übersaxen ein solches neues Zeichen erhält: Aluminiumplatten mit zweifarbig in Gelb und Schwarz angelegten Siebdrucken zeigen die jeweilige Hausnummer und das entsprechende Hauszeichen. Dadurch werden die Dorfbevölkerung und ihre jahrhundertealte Genealogie in eine künstlerische Arbeit einbezogen, die sich auf den ersten Blick wegen ihres unprätentiösen Auftritts gar nicht als solche zu erkennen gibt.
Im weiteren liegt den „neuen“ Hauszeichen eine sinnstiftende Ordnung zugrunde: Jede Straße zeichnet sich durch separate Zeichenformen aus, wobei sich die Struktur von den einfachen, aus dem Kreis, dem Quadrat und dem Dreieck gebildeten Urzeichen zu stets komplizierteren Varianten entwickelt.
Das Bronzetor 
Beat Stutzer zum Werk von Herbert Fritsch                    
(Quelle:  Vierteljahresschrift der Rheticus-Gesellschaft Heft 1 – 1999)  
Als Kernstück und als eigentlicher Angelpunkt des umfassenden Werkes platzierte Herbert Fritsch auf dem Kirchplatz und damit im eigentlichen Zentrum des Dorfwesens ein großes, in Bronze gegossenes Tor. In bewusstem Gegensatz zu der nach Osten ausgerichteten Kirche bezieht sich dieses auf die Nord – Süd – Achse und verweist dadurch auf die in dieser Richtung erfolgte frühere Wanderung der Walser und damit auf die einstige Herkunft der Dorfbevölkerung.  
Letztlich hat sich Herbert Fritsch für die freistehende, beidansichtige Aufstellung des Bronzetores in unmittelbarer Nachbarschaft zur mächtigen Dorflinde mitten auf dem Kirchplatz entschieden. Vorausgegangen sind zahlreiche bemerkenswerte Überlegungen, die ihren Niederschlag in einer ganzen Reihe wunderbarer Skizzenblätter gefunden haben, welche noch völlig andere Aufstellungen in Betracht gezogen hatten: zum Beispiel jene, bei der die begehbare Türe auf der äußersten Ecke der Kirchenmauer den Weg freigegeben hätte – einerseits hinaus auf ein schmales, luftiges Podest oder andererseits auf eine steile, in die Tiefe führende Treppe.  
Das schmale, hohe Tor, das nur von einer einzigen Person begangen werden kann, legt unmittelbar den Gedanken an das Richterportal, an die „enge Pforte“ mit ihrem Zugang zum Himmelreich nahe. Insofern bezieht sich das Bronzetor von Herbert Fritsch in Übersaxen auf eine Ikonographie, die eine lange Tradition besitzt und bis zu den frühmittelalterlichen Bronzetüren von Augsburg und Hildesheim, Verona, Trani oder Amalfi zurückreicht. Türen dieser Art mit ihrer tiefsinnigen Symbolik gelten als Metaphern für den Durchgang und Übergang, als Symbole für die Schwelle zwischen zwei Welten: Sie trennen zwischen Bekanntem und Unbekanntem, dem Diesseits und dem Jenseits, dem Licht und der Finsternis, dem Profanen und dem Sakralen.
Fritsch fügte das imposante Tor aus hölzernen Türblättern zusammen, die er einesteils in Vorarlberg selber, anderenteils in Liechtenstein vorfand. Auf der einen Seite der Türe wurden längst außer Gebrauch gekommene Gegenstände und Gerätschaften, wie eine Sichel, eine Wäschehaspel oder ein Schuhmodel appliziert, die auf den lokalen, bergbäuerlich geprägten vergangenen Arbeitsalltag verweisen, während auf der anderen Seite Schwemmholz, dem in früherer Zeit in den vorarlbergischen Bergdörfern eine enorme Bedeutung zukam, zu rätselhaften Formkonstellationen zusammengefügt wurde. So gemahnt jene Anordnung der schmalen Hölzer im unteren Teil der Türe, die wir sowohl in Auf- wie in Seitenansicht „lesen“ können, an eine Art Roller oder an einen alten Schlitten. Sie rufen die kollektive Erinnerung an eine Zeit hervor, als der Schlitten im steilen Bergdorf noch als Fortbewegungsmittel und Transportgerät genutzt wurde, um das Holz oder sogar den Leichnam sanft durch die Stille der Schneelandschaft zu befördern. Oberhalb dieser Chiffre wehmütiger Erinnerung an frühere Zeiten und an die Kindheit fasst ein offener, an Kosmisches gemahnender Halbkreis gleich einer Schale eine Vielzahl jener geometrischen Grundzeichen, wie sie in dieser oder abgewandelter Form allenorts auf der ganzen übrigen Türe oder als Hauszeichen an jedem Gebäude des Dorfes aufscheinen.
Beide Seiten der Türe sind somit mit Zeichen und Dingen besetzt, mit welchen die Dorfbewohner größtenteils vertraut sind und die in ihnen Reminiszenzen zu wecken vermögen, oder: Man ist in der Lage, das eine oder das andere mit der allgemeinen Geschichte es Ortes oder mit dem Vorleben der einzelnen Familien in Verbindung zu bringen. Durch den Bronzeguss der Türe mit den vielfältigen aufgebrachten Objekten verschmelzen die Einzelteile indes zum ganzen, dessen Oberfläche einen immensen taktilen Reiz auszuüben vermag